Stellungnahme der Fachschaft 11 Geowissenschaften/Geographie zum Umgang der Universitätsleitung mit der Besetzung am 06.12.2022
Am Dienstag, den 06.12.2022, besetzten Aktivist*innen der Gruppe „End Fossil: Occupy!“ ab 10 Uhr den Hörsaal 1 der Goethe-Universität. Sie stellten klima- und gesellschaftspolitische Forderungen, über die sie mit dem Präsidium der Goethe-Universität diskutieren wollten. Zusätzlich organisierte die Gruppe ein Programm mit Vorträgen und Workshops, um den Student*innen, Mitarbeiter*innen und Bürger*innen Frankfurts einen Raum für Diskussionen zu schaffen.
Der Präsident der Uni, Prof. Enrico Schleiff, blieb jeglichen Debatten mit den Aktivist*innen fern. Auch Kanzler Dr. Albrecht Fester wollte sich nicht auf inhaltliche Auseinandersetzungen einlassen, sondern den Protest lediglich auf den abgelegenen Campus Bockenheim verschieben. Nachdem die Unileitung nicht zu Gesprächen über Inhalte bereit war, ließ sie den Protest gegen 20 Uhr durch ein Großaufgebot der Polizei räumen.
Wir kritisieren den Umgang der Unileitung und des Kanzlers mit der Situation und den unverhältnismäßigen Polizeieinsatz.
Scheinpolitik des Kanzlers
Das Ziel der Aktivist*innen war es, eine inhaltliche Debatte mit der Unileitung zu führen. Der Kanzler begab sich nach einigen Stunden in den Hörsaal, um mit den Besetzer*innen zu sprechen. Dabei zeigte sich schnell, dass er sich weder für die Forderungen der Aktivist*innen interessierte, noch sich mit diesen auseinandersetzen wollte. Sein einziges Angebot war es, den Protest bzw. das Programm in einen anderen Hörsaal auf dem Campus Bockenheim zu verschieben. Der Campus Bockenheim wird kaum noch genutzt, sodass Aktivist*innen dort kaum Aufmerksamkeit gewinnen können. Das zeigt, dass es sich nicht um ein ernsthaftes Angebot gehandelt hat, sondern nur um Scheinpolitik. Das Verhalten des Kanzlers zeigte außerdem, dass er keinerlei Respekt vor den Aktivist*innen hatte. Während dem Gespräch hielt er es nicht für notwendig, seinen AirPod aus dem Ohr zu nehmen.
Repression des studentischen Protests
„[…] Die Goethe-Universität [ist] die erste Universität in Deutschland, die Klimaproteste auf ihrem Campus unter Anwendung von Polizeigewalt hat räumen lassen“, so ein studentisches Mitglied des Senats. Zumindest ist sie die erste Uni, die eine Besetzung schon nach weniger als einem halben Tag durch die Polizei räumen lassen hat. Seit 2019 wurden erst an zwei deutschen Universitäten (Hamburg und Dresden) Besetzungen von Hörsälen polizeilich aufgelöst – und das auch erst nach einigen Tagen. Das zeigt, dass die Goethe-Uni keinerlei Interesse an inhaltlichen Debatten hat, sondern auf die Sorgen, Anliegen und Kritik ihrer Student*innen mit Repression reagiert. Dieses Verhalten einer Organisation, die sich nach außen hin nachhaltig und fortschrittlich präsentiert und lehrt, dass Diskurs und studentische Partizipation Grundpfeiler der Universität sind, ist absolut inakzeptabel. Eine universitäre Leitung, die mit Repression gegen ihre eigenen Student*innen vorgeht, wird den Ansprüchen einer Universität nicht gerecht.
Fragwürdige Stellungnahme der Unileitung
Einen Tag nach der Besetzung des Hörsaals veröffentlichte die Goethe-Universität eine Stellungnahme, in der sie auf fehlende Kompromissbereitschaft der Demonstrant*innen, die Wichtigkeit von Präsenzlehre und bereits bestehende Bemühungen in Sachen Nachhaltigkeit verweist. Auf diese Punkte möchten wir gerne näher eingehen.
- Im Gegensatz zur Selbstdarstellung der Universität waren nicht die Aktivist*innen, sondern die Universitätsleitung nicht kompromissbereit. Das Anliegen der Aktivist*innen war es, mit der Universitätsleitung über inhaltliche Themen zu diskutieren. Der Kanzler zeigte jedoch keine Gesprächsbereitschaft und wollte den Protest nur möglichst schnell beenden und dahin verschieben, wo ihn keiner mehr wahrnimmt. Dies hätte zur Folge gehabt, dass erstrecht keine inhaltliche Auseinandersetzung stattgefunden hätte.
- Präsenzlehre stellt für die Goethe-Uni „einen besonders hohen Wert dar“. Zumindest beruft sich die Universitätsleitung in ihrer Stellungnahme darauf und begründet die Räumung damit. Dem steht jedoch entgegen, dass die Universität bereits zwei Tage vor den Winterferien den Präsenzbetrieb einstellt und die Studierenden dazu auffordert, „sich bei ihren Dozent*innen [zu informieren], wie die Lehrveranstaltungen in den letzten 2 Semestertagen in 2022 gestaltet werden“. Nicht nur wird der „hohe Wert“ der Präsenzlehre so mit Füßen getreten, sondern auch jegliche Verantwortung auf die Dozent*innen und Student*innen abgewälzt. Das Argument der Präsenzlehre wirkt wie eine schlechte Ausrede. Zudem gab es auf dem Campus in Bockenheim scheinbar genug freie Räume. Lehrveranstaltungen, die eigentlich im Hörsaalzentrum stattfinden sollten, hätten also ohne weiteres nach Bockenheim verlegt werden können.
- Nachhaltigkeit und Klimaschutz weisen eine hohe gesellschaftliche Relevanz auf. Die Goethe-Uni verweist in ihrer Stellungnahme auf die Einrichtung eines Nachhaltigkeitsbüros im Herbst dieses Jahres. Das ist aber nur ein erster Schritt in die richtige Richtung und kann nicht als Ausrede genutzt werden, sich nicht weiter mit inhaltlichen Diskussionen zur Nachhaltigkeit der Universität auseinanderzusetzen. Dazu kommt, dass das Nachhaltigkeitsbüro erst auf Initiative der Studierendenschaft gegründet wurde. Eine Universität, die sich ernsthaft für die Themen Nachhaltigkeit und Klimaschutz interessiert, sollte nicht nur auf Drängen ihrer Student*innen handeln und inhaltlichen Input ignorieren, sondern auch eigenverantwortlich, konsequent und effizient auf eine klimaneutrale Zukunft hinarbeiten.
Klimaschutz aus der Sicht der Fachschaft des FB 11
Wir als Student*innen des Fachbereichs 11 (Geowissenschaften, Geographie, Meteorologie, Umweltwissenschaften) haben einen besonders starken Bezug zu den wissenschaftlichen Erkenntnissen rund um den Klimawandel. Professor*innen unseres Fachbereichs engagieren sich bei Scientists for Future und tragen zu Berichten des IPCC bei. In Vorlesungen und Seminaren setzen wir uns täglich mit den Auswirkungen des menschgemachten Klimawandels auseinander. Dass die Goethe-Universität wissenschaftliche Erkenntnisse aus ihrer eigenen Forschung nicht ausreichend beachtet und nicht aus eigener Initiative tätig wird, enttäuscht uns.